Vom „entweder oder“ zum „sowohl als auch“ — Eine Antwort an den Tonspion

Neue Ideen haben gerne das Problem, dass sie von vielen vorschnell verworfen werden. Nicht alle haben genug Zeit und Ruhe, ihre Auswirkungen zu Ende zu denken und alle Potentiale auszuloten. Es ist manchmal schwer, seine Vorstellung über das hinaus gehen zu lassen, was bis jetzt normal und richtig war. Wir wollen versuchen, diese Ideen dennoch zu verfolgen.

In einem aktuellen Kommentar zu einem iRights-Interview lässt der Tonspion kein gutes Haar an adore, dem geplanten neuen Dienst der C3S — und das noch bevor hierzu überhaupt alle Details veröffentlicht sind. Wir möchten aufzeigen, wo die Kritik wichtige Punkte vermissen lässt und sich in Teilen selbst widerspricht.

Die Missverständnisse beginnen mit der Überschrift: „Spenden statt Zahlen“, auf diese Weise lässt sich unsere Ankündigung nur dann verstehen, wenn adore als Ersatz für den Betrieb als Verwertungsgesellschaft gedacht wäre. Richtig ist aber, dass es einen freiwilligen Zusatz, eine Ergänzung darstellt. Wir denken nicht an „entweder oder“, sondern an „sowohl als auch“.

Es folgt die Behauptung, dass adore mit 90%iger Ausschüttung an die Künstler „am Ende nur einem nützen“ wird, nämlich „der Verwertungsgesellschaft selbst“. 10% Kostenbeteiligung ist für den Tonspion ein „netter Batzen Geld“ — auf die übrigen 90% sollen Musiker dagegen lieber gleich ganz verzichten?

Hier müssen gleich mehrere Punkte bedacht werden. Zum Ersten ist ein Service wie dieser nicht allein mit Luft und Liebe zu betreiben — besonders in der Startphase. Wenn wir die Abzüge zu niedrig ansetzen, kann adore in der Tat nicht lange existieren. Zum Zweiten haben wir im besagten Interview bereits darauf hingewiesen, dass wir diese Abzüge in Zukunft weiter absenken wollen — eben dann, wenn wir mehr darüber wissen, in welchem Verhältnis Zahlungen und Aufwendungen zueinander stehen. Falls der Tonspion bereits heute Statistiken hat, die über unsere Modellrechnungen hinausgehen, würden wir uns über eine Kopie freuen.

Zu guter Letzt weisen wir darauf hin, wer „die Verwertungsgesellschaft“ als Nutznießerin eigentlich ist: Eine Genossenschaft, und mit ihr sämtliche Mitglieder, die sich der C3S angeschlossen haben. Die C3S ist keine AG, die ihre Investoren zu bedienen hat, kein Selbstbedienungsladen für Manager-Boni, oder was auch immer der Tonspion im Subtext suggerieren möchte. Der Genossenschaft genügt die Kostendeckung für anfallende Arbeit; dazu gehören der Betrieb von adore, und zur Zeit auch noch der Aufbau der Verwertungsgesellschaft. Das uns der Tonspion nicht einmal diese Kostendeckung gönnt, spricht eigentlich für die Umsonstmentalität, die er in seinem Kommentar selbst kritisiert.

Wenig ist das neue Viel

Paradoxerweise wird adore aber keine große Zukunft prophezeit. Wenn adore jedoch gar keine Anhänger findet, widerspricht dies dem zuvor beschriebenen Batzen Geld: Aus wenig wird nicht mehr, wenn man davon 10% bekommt. Was ist richtig?

Schließlich bewertet der Tonspion adore als Zeitverschwendung: Wir sollten uns lieber auf die Verwertungsgesellschaft konzentrieren. Dies übersieht, dass wir die Software, mit der adore betrieben wird, mit einigen Anpassungen eben genau für die Arbeit als Verwertungsgesellschaft brauchen werden — wie im kommentierten Interview ebenfalls bereits zu lesen ist. Das war einer der Gründe, warum wir diese Entwicklung überhaupt begonnen haben.

Ein zweiter war, dass dieser Dienst ausreichend innovativen Charakter besitzt, um uns eine 50%-Förderung aus dem EFRE-Fonds der EU zu sichern. Dank adore sind wir der Verwertungsgesellschaft also nicht nur einen Schritt näher gekommen, sondern durch die Förderung war dieser Schritt schon jetzt ungleich größer, als wir es ohne adore allein aus eigener Kraft hätten schaffen können. Selbst wenn adore scheitern sollte: Diese Arbeit war bereits jetzt alles andere als verschwendete Zeit.

Ein dritter Grund ist aber in der Tat, dass adore noch vor der Zulassung dabei helfen kann, den Aufbau der Verwertungsgesellschaft zu finanzieren. Den Widerspruch kann der Tonspion nicht auflösen: Wir sollen eine ernsthafte Alternative zur GEMA aufbauen, ohne dafür irgendwoher Geld zu nehmen? Als wir anfingen hieß es noch, es sei geradezu unmöglich, diese Aufgabe überhaupt zu meistern. Jetzt, wo wir trotzdem die Ärmel hochkrempeln, soll es dann aber bitte zum Nulltarif möglich sein. Nun, so ist es in der Tat unmöglich.

Vielleicht ist es nicht für dich gedacht?

adore wurde von Menschen in unserem Team konzipiert, die so einen Service selbst gerne nutzen wollen. Es richtet sich weniger an Gelegenheitshörer, als vielmehr an Musikjunkies. Menschen, die Musik aus Leidenschaft hören und auf diese Weise ihre Wertschätzung unterstreichen möchten. Wenn wie vom Tonspion prognostiziert vor allem bekannte Künstler nicht daran teilnehmen, dann wird eben mehr an die kleinen und weniger bekannten Acts verteilt — wäre das wirklich ein Problem?

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Category: adore, CC, philosophy, press

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