Offener Brief an Abgeordnete des Europäischen Parlaments bezüglich der EU-Urheberrechtsrichtlinie
Sehr geehrte Damen und Herren,
als werdende europäische Verwertungsgesellschaft für Musik wenden wir uns an Sie mit ernsthaften Bedenken gegen die finale Version der EU-Urheberrechtsrichtlinie, die in Kürze dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Es versteht sich von selbst, dass uns zuvorderst die Belange der Urheber_innen am Herzen liegen.
Die Richtlinie möchte europaweit zu Recht machen, dass Verlage direkt anLizenzeinnahmen beteiligt werden müssen, die eigentlich allein den Urheber_innen zustehen (ursprünglich Artikel 12, inzwischen Artikel 16). Dies war in der Vergangenheit tatsächliche Praxis, bis es von EuGH und BGH in mehreren Entscheidungen endlich für illegal erklärt wurde. Diese Urteile waren eine wirkliche Stärkung von Urheber_innen. Es ist nachgerade grotesk, dass man die automatische unrechtmäßige Schädigung von Urheber_innen nun in der ganzen EU legalisieren möchte.
Die Debatte um die Richtlinie wird vom Disput zu den Artikeln 11 und 13 (jetzt Artikel 15 und 17) dominiert. Dabei wird in der öffentlichen Debatte völlig übersehen, dass Artikel 16 eine immense Entrechtung von Urheber_innen vorsieht, deren Ausmaß von den (viel zu dürftig gestreuten) Vorteilen der gesamten Richtlinie in keiner Weise aufgewogen wird. Die Zwangsabgaben der Urheber_innen an die Verlage haben früher oft die Hälfte ihrer Lizenzeinnahmen betragen. Kein Artikel in der ganzen Richtlinie wäre in der Lage, eine Halbierung der Ausschüttungen auch nur im Ansatz zu kompensieren. Es ist daher falsch, das Trilogergebnis insgesamt als Verbesserung für Urheber_innen anzusehen. Es transformiert das Urheberrecht, das ja zunächst die Rechte schöpferisch Tätiger schützen soll, vielmehr in Richtung eines Verlagsrechts, und beschädigt so die jahrhundertealte Urheberrechtstradition Europas.
Wir können in der Richtlinie leider auch keine Modernisierung des Urheberrechts für das Internetzeitalter erkennen. Wesentliche Fragen, die sich heute stellen (z.B. der rechtliche Umgang mit Mash-ups und Remixes) wurden ignoriert. Dafür wird in anderen Punkten der Versuch unternommen, das moderne Internet an die eigentlich überholte Urheberrechtspraxis anzupassen. An den verhärteten Fronten zu Artikel 17 (vormals 13) wird dies augenscheinlich. Wir vertreten Hunderte von Musikurheber_innen, die sich einen wirklich modernen Umgang mit urheberrechtlichen Fragen wünschen. Weil auch die bestehenden Verwertungsgesellschaften auf diese Bedürfnisse nicht eingehen wollen, fanden sich überhaupt genug Urheber_innen zusammen, um uns als Europäische Genossenschaft zu gründen. Ein wichtiges Thema war seit unserem Start 2010 die Trennung von Verlags- und Urheber_inneninteressen, die nun einmal nicht gleichgesetzt werden dürfen.
Diese Richtlinie lehnen wir ab, weil sie das europäische Urheberrecht nicht nur in eine ungerechte Vergangenheit zurückwirft, die nach jahrelangen juristischen Klärungen endlich überwunden war, sondern diese Entrechtung von Urheber_innen auch auf die ganze EU ausdehnt.
Sprechen Sie mit Urheber_innen aus Ihrem Bekanntenkreis über die Verlagsansprüche auf Lizenzeinnahmen nach Artikel 16. Bitte unterstützen Sie alle Urheber_innen, die sich nach einer echten Modernisierung des Urheberrechts sehnen, ohne dabei ihre Einnahmen zu verlieren: Lehnen auch Sie die Richtlinie ab.
Der Verwaltungsrat der C3S SCE
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